35-jähriges Jubiläum der Städtepartnerschaft zwischen Tempe und Regensburg
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                                           Richard Neuheisl, Barbara Neumann-Trüb, Hans Schaidinger
- Es gilt das gesprochene Wort -
Rede von Oberbürgermeister Hans Schaidinger anlässlich des 35-jährigen Jubiläums der Städtepartnerschaft zwischen Tempe und Regensburg am Mittwoch, 19. Juni 2013, auf der Kristallprinzessin
Anrede,
mein besonderer Gruß gilt natürlich der Delegation aus unserer Sister City Tempe. Sie, meine Damen und Herren haben die weite Reise von Arizona hierher nach Regensburg nicht gescheut, um mit uns unsere gemeinsame Städtepartnerschaft zu feiern. Vor 35 Jahren wurde sie gegründet.
Ich sage Ihnen im Namen aller Regensburger Bürgerinnen und Bürger ein besonders herzliches Willkommen
Vergleicht man diese 35 Jahre mit denen im Leben eines Menschen, dann ist das eine interessante Zeitspanne.
Man hat schon eine ganze Menge geleistet, hat sich etabliert, hat Ansehen gewonnen, hat Erfolge vorzuweisen.
Mit 35 ist man aber auch noch voller Kraft und Elan, hat Ideen, will die Zukunft gestalten, will neuen Menschen begegnen und weitere Erfahrungen sammeln. Die Familie, die Gesellschaft kann von einem 35-Jährigen noch viel erwarten.
Genau das trifft auch für unsere seit 35 Jahren bestehende Städtepartnerschaft zu, für die Sister City Corporation in Tempe und den Freundeskreis Tempe-Regensburg bei uns. Das sind ja die beiden tatkräftigen Organisationen, die diese besondere Partnerschaft über eine so große Distanz hinweg mit Leben erfüllen.
Städtepartnerschaften gibt es ja viele, aber eine solche wie wir sie zwischen Tempe und Regensburg haben, ist ein Juwel in dieser Szene.
Wir feiern diesen Geburtstag auf der Donau, fahren ein Stück gemeinsam und symbolisieren damit, dass wir zusammen unterwegs sind. So eine Feier ist ja auch immer eine Zeit für Erinnerungen an das, was wir in Tempe und in Regensburg erlebt, oder was wir an Begegnungsmöglichkeiten auf den Weg gebracht haben. Wir erinnern uns auch an so manche gegenseitige Besuche, an Ausflüge, an Stunden, die wir fröhlich verbracht haben.
Ich spreche wohl in Ihrer aller Namen, wenn ich sage: „Wir sind Freunde geworden.“ - Ich bin sicher, dass auch der heutige Abend fruchtbar sein wird für künftige Vorhaben, dass wir damit auch ein Stück mehr unsere Freundschaft festigen können.
Für mich als Oberbürgermeister Regensburgs ist dieses Beisammensein auch eine willkommene Gelegenheit, ein großes, von Herzen kommendes Dankeschön für unsere Bürgerinnen und Bürger zu sagen.
Danke liebe Sister City Coperation in Tempe, danke liebe Mitglieder des Freundeskreises Tempe-Regensburg in unserer Stadt. Sie alle setzen sich mit einer erstaunlichen Tatkraft, mit praktischen Ideen, mit Freizeit, aber auch finanziell für das Gelingen dieser Partnerschaft ein.
Sie sind Motor, Hand, Hirn und vor allem auch Herz der Gemeinsamkeit. Dieses bewundernswerte Bürgerengagement macht unsere Städtepartnerschaft zu etwas Besonderem – zumindest was die deutsche Seite betrifft.
Das ist ja etwas, was wir erst von unseren Freunden in Tempe gelernt haben: eine lebendige Städtepartnerschaft muss von den Bürgerinnen und Bürgern selbst getragen werden.
Sie kann nicht vom Rathaus verordnet und organisiert werden. Den Anstoß können die jeweiligen Städte geben, die Bürger müssen aber dann diese Begegnung selbst in die Hand nehmen.
1978 waren es die beiden Stadtoberhäupter, Tempes Bürgermeister Dr. Lopiano und Regensburgs Oberbürgermeister Friedrich Viehbacher, die den offiziellen Akt der Städtepartnerschaft vollzogen haben. Typischerweise hat dann bei uns zunächst das Fremdenverkehrsamt die Aufgabe übernommen, die neuen Beziehungen zu pflegen.
Ganz anders in Tempe. Aus dem dort selbstverständlichen bürgerschaftlichen Verständnis heraus hat sich eine Sister City Corporation vom Anfang an um diese Angelegenheiten gekümmert.
Es dauerte dann aber nur drei Jahre, bis das bürgerschaftliche Beispiel aus Tempe bei uns Schule gemacht hat. Und es ist wohl nicht Zufall, dass es in erster Linie die beiden Schulmänner, Stadtschuldirektor Willy Lang und Privatschulleiter Dr. Robert Eckert sowie der in vielfältiger Weise so verdienstvoll engagierte Unternehmer Dr. Johann Vielberth und Sparkassendirektor Völkl waren, die die Initiative ergriffen haben: je zwei Persönlichkeiten aus dem Bildungsbereich und dem Geschäftsleben. Aus zwei Handlungsfeldern also, in denen man schon lange die Notwendigkeit erkannt hat, durch die Kenntnis von Fremdsprachen und anderen Ländern zu einem Stück mehr Weltläufigkeit zu gelangen.
Lassen Sie mich auch auf einen Aspekt verweisen, der heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist:
Frauen und Männer wie Dr. Vielberth, Dr. Eckert, Lang und Völkl gehören einer Generation an, die in jungen Jahren das Ende des 2. Weltkriegs erlebt hat. Für sie brachte nach der Niederschlagung der NS-Diktatur das Wiedererstehen der deutschen Republik mit der Etablierung einer stabilen Demokratie vorher nicht gekannte Lebenschancen – Freiheit der Entfaltung statt ideologische Enge, Verblendung und Aggression.
Für die neuen Perspektiven dieser Generation in Westdeutschland wurden die USA mit ihrer offenen Gesellschaft Vorbild. Im Lernprozess Demokratie und Zivilgesellschaft sah sie in den USA ein Beispiel, dem es nachzueifern galt.
Dass dieser Paradigmenwechsel von autoritären Strukturen hin zur individuellen Autonomie gelungen ist, daran haben die Hilfestellungen der USA einen nicht zu unterschätzenden Anteil.
Das sollte in der Geschichte der deutschen Nachkriegsjahre nicht vergessen werden. Wir Deutsche haben dem amerikanischen Volk auf dem Weg zur jungen Demokratie viel zu verdanken.
Auch Regensburg hatte ja als ein kulturelles Zentrum mit erheblicher Strahlkraft ein Amerikahaus. Nicht nur Jazzkonzerte waren dort bestens besucht. Ein Vortragsprogramm, Diskussionsabende und eine umfangreiche Bibliothek halfen nachzuholen, was eine demokratische, zivile Gesellschaft als Grundlage benötigt, um funktionieren zu können. Mit Meinungspluralität umgehen zu können, Kompromissfähigkeit in konstruktiver Auseinandersetzung, das hat diese Generation geprägt und ließ Dankbarkeit und Verbundenheit zu Amerika wachsen. Daraus wurde das Fundament der deutsch-amerikanischen Freundschaft.
Mir scheint, dass es wieder an der Zeit ist, an diese Grundlagen zu erinnern. Praktizierte deutsch-amerikanische Freundschaft ist ja genau das, was sich unsere Städtepartnerschaft, was sich die Sister City Coperation und unser Freundeskreis Tempe-Regensburg auf die Fahnen geschrieben haben.
In den Zeiten globaler Wirtschaftskrisen mit sozialen Verwerfungen und Spannungen im Gefolge wird einem bewusst, dass diese freundschaftlich-entspannten Beziehungen gar nicht so selbstverständlich sind. Wir erleben den Rückzug so mancher Nation auf sich selbst. Längst überwunden geglaubte Vorurteile, alte Ressentiments sind plötzlich wieder da. Misstrauen wird mit billigem Populismus geschürt.
Meine Damen und Herren, sieht man sich das mit großem Fleiß, mit persönlichem Einsatz und erfreulichem Durchhaltevermögen Jahr für Jahr durchgeführte Begegnungs- und Austauschprogramm zwischen Tempe und Regensburg an, dann ist das haargenau die richtige Medizin gegen die wenig erfreulichen Tendenzen, das Fremde wieder eher bedrohlich zu finden, als die Begegnung mit anderen Nationen und deren Kultur, als die Auseinandersetzung mit deren Sicht auf die Gestaltung des privaten und öffentlichen Lebens bereichernd zu erleben.
Wir dürfen nicht aus dem Blick verlieren: Rückzug in nationale Beschränktheit ist kein Zukunftsmodell! Die Welt wächst zusammen, ob wir das wollen oder nicht. Wenn wir diesen Prozess nicht positiv gestalten, überrollen uns die Ereignisse.
Was die Sister City Coperation und der Freundeskreis Tempe-Regensburg praktizieren, zeigt uns den Weg: Was uns in der ersten Begegnung fremd anmutet, erweist sich sehr schnell als probates Mittel zur Erweiterung und Bereicherung unserer Persönlichkeit. Wir formen uns zu Weltbürgern, wenn wir aufeinander zugehen.
Der große Vorteil dabei ist dabei folgender: Indem wir andere kennen und schätzen lernen, festigen wir gleichzeitig unser nationales Selbstbewusstsein. Dessen bedürfen wir, wenn wir auf Augenhöhe Umgang mit den Menschen anderer Kulturen pflegen. Nur so kommt es zu einem gleichberechtigten Geben und Nehmen.
Wer sich darauf einlässt, ist gefeit gegen falsche Vorstellungen von anderen Nationen, die immer wieder durch unsere Gesellschaft geistern.
Wer einmal – zumindest für kurze Zeit - in den USA gewesen ist, wer dort als Gast in einer Familie willkommen war, eine Schule besucht hat, in der Universität studiert hat, ein Praktikum absolviert hat, der hat eine Prägung fürs Leben erfahren. Er oder sie wird differenzieren können, wenn ihm Nachrichten begegnen, die alten Klischees verhaftet sind. Er wird unterscheiden können zwischen dem, was da pauschaliert behauptet wird und dem, was er persönlich mit den Menschen in deren Heimat erfahren hat.
Wenn es den Schüleraustausch zwischen Regensburg und Tempe nicht geben würde, nicht das Austauschprogramm für Studierende, Praktikanten und Lehrer und dazu die direkten Partnerschaften zwischen einigen Schulen, man müsste diesen Mix an Begegnungsintensität und Möglichkeiten gerade für junge Menschen wahrlich schleunigst erfinden.
Aber auch das ist uns bewusst: Nichts ist so gut, dass es nicht noch verbessert werden könnte. Sie alle arbeiten ja ständig daran, dieses Programm den Erfordernissen der Zukunft anzupassen. Dass Ihnen das gelingt, dabei begleiten Sie unsere guten Wünsche.
Meine Damen und Herren, eine Städtepartnerschaft beruht ja nicht so sehr auf von vornherein bestehende Gemeinsamkeiten. Wenn man die herausgefunden hat, wird es schnell langweilig. Sie beruht vielmehr auf dem gemeinsamen Bestreben, sich im jeweiligen Anderssein zu verstehen und zu akzeptieren. Nur dabei kann man etwas lernen.
Ja, es stimmt schon: Tempe und Regensburg sind ungefähr gleich groß. Beide Städte liegen an traditionsreichen Flüssen. Wasser und Grünanlagen beherrschen das Stadtbild. Wir haben beide eine Universität. Hightech spielt eine große Rolle. Letzten Endes führen solche Vergleiche aber zu nichts.
Viel spannender ist es für uns in Tempe das andere zu entdecken, zu sehen wie dort Probleme gelöst werden, wie das Zusammenleben funktioniert, was in den Familien, in den Schulen, im Sport, in Kultur, im Arbeitsleben und in der Freizeit geboten ist.
Und so ergeht es sicher auch denen, die aus Tempe zu uns nach Regensburg kommen. Natürlich lieben wir alle auch das unbeschwerte Zusammensein, die Teilname an Festen, die für unsere Städte typisch sind. Erst aus der Summe solcher Erfahrungen entsteht Freundschaft.
Sie gründet auf Verstehen, auf Achtung und Toleranz. Eine solche Freundschaft hat Bestand, bewährt sich auch über eine Entfernung vieler Flugstunden hinweg.
Die Städtepartnerschaft Tempe-Regensburg hat ein solides Fundament, weil sie von Bürgerinnen und Bürgern beider Städte getragen ist.
Sie ist aktuell. Sie ist nach wie vor notwendig. Und sie besitzt das Potential, auch Aufgaben und Schwierigkeiten zu meistern, die uns die Zukunft stellen wird.
Es wird hoffentlich ein 50-jähriges und auch noch ein 100-jähriges Jubiläum unserer Partnerschaft geben. Die jungen Menschen unserer beiden Städte, die heute vom Begegnungsprogramm profitieren, müssen sich darum kümmern, dass auch ihre Kinder und Enkel diese Erfahrungen machen können.
Die Städtepartnerschaft Tempe-Regensburg ist ein Erfolgsmodell. Darauf können wir alle stolz sein. Das ist ein Grund zum gemeinsamen Feiern. Schließlich haben wir auch darin schon eine gute Tradition entwickelt. Dass der heutige Abend ein weiterer Meilenstein in unserer Beziehung sein wird, dessen bin ich gewiss. Genießen wir diese Stunden auf der Donau, auf diesem prachtvollen Schiff.
Und damit Leinen los für einen neuen Abschnitt in unserer Partnerschaft. Sie liebe Gäste aus den USA sollen daheim in Tempe berichten können, dass sich wieder einmal mehr die weite Reise nach Regensburg gelohnt hat. Was gibt es Schöneres, als unter Freunden zu sein!